Buchara - Siedlung Poykend
Siedlung Poykend in Buchara – Die „Pompeji Asiens“
Etwa 60 Kilometer südwestlich von Buchara erstreckt sich die antike Siedlung Poykend auf einer Fläche von circa 20 Hektar. Bis Mitte des 11. Jahrhunderts war Poykend eine bedeutende Handelsstadt, bekannt als „Unterstadt“ und lag strategisch im Unterlauf des Zeravshan an der westlichen Grenze von Sogd.
Blütezeit auf der Großen Seidenstraße: Im 5. bis 8. Jahrhundert zählte Poykend zu den wohlhabendsten Städten der Region Buchara. Gemeinsam mit Samarkand bildete sie eines der wichtigsten Handelszentren auf der legendären Großen Seidenstraße. Alljährlich begab sich ein Großteil der männlichen Bevölkerung im Frühjahr auf monatelange Reisen gen China, um Handelsbeziehungen zu pflegen und Wohlstand in die Stadt zu bringen.
Eroberungen und Wiederaufbau: Die Geschichte Poykends ist geprägt von Eroberungen und Widerstand. Ende des 6. Jahrhunderts wurde die Stadt im Zuge eines blutigen Krieges zwischen den türkischen Khanen und den persischen Schahs vom persischen Befehlshaber Bahram Chubin belagert. Anfang des 8. Jahrhunderts unterwarf sich Poykend gemeinsam mit Buchara den Arabern. Diese plünderten die Stadt, nahmen die Bevölkerung gefangen und schmolzen goldene und silberne Statuen heidnischer Götzenbilder zu Barren ein, die an den Hof des Kalifen geschickt wurden.
Trotz dieser Zerstörung erholte sich die Stadt: Zurückkehrende Händler aus China kauften gefangene Bürger frei und halfen beim Wiederaufbau. Das Stadtzentrum war von einer imposanten Zitadelle (90 x 90 Meter) geprägt, deren erste Siedlungen bereits vor unserer Zeitrechnung existierten. Im frühen Mittelalter befanden sich dort der Palast des Herrschers, Tempel sowie Verwaltungsgebäude.
Stadtstruktur und Verteidigungsanlagen: Poykend bestand aus zwei Schahristanen – Stadtvierteln – die sich an die Zitadelle anschlossen: Der erste Schahristan umfasste 12 Hektar und war von den Ephtaliten bewohnt, während der zweite, mit einer Fläche von 7 Hektar, Anfang des 6. Jahrhunderts entstand. Die Stadt war von Festungsmauern umgeben, die in regelmäßigen Abständen von 60 Metern mit Wehrtürmen verstärkt wurden. Im Norden der Stadt lag eine Nekropole mit zoroastrischen Begräbnisstätten.
Glanzzeit unter den Samaniden: Unter der Herrschaft der Samaniden erlebte Poykend eine Renaissance und avancierte erneut zu einem Handels- und Handwerkszentrum, das mit Buchara konkurrierte. Zahlreiche Karawansereien wurden errichtet, um dem regen Handelsverkehr Rechnung zu tragen. Archäologische Ausgrabungen auf der Zitadelle brachten die Überreste der Dschuma-Moschee aus dem 11. Jahrhundert ans Licht. Das Fundament ihres Minaretts lässt darauf schließen, dass es die Dimensionen des Kalon-Minaretts in Buchara übertraf.
Niedergang und Vergessen: Mit der zunehmenden Vertiefung des Zeravshan-Flusses versiegte im 11. Jahrhundert die Wasserversorgung Poykends, was unweigerlich zum Niedergang der Stadt führte. Die einst blühende Handelsmetropole wurde allmählich von der Wüste verschluckt und geriet in Vergessenheit.
Wiederentdeckung und archäologische Bedeutung: Erst im 20. Jahrhundert brachten Archäologen die verschütteten Relikte Poykends wieder ans Tageslicht. Aufgrund der herausragenden historischen Bedeutung und des bemerkenswerten Erhaltungszustands der Ruinen erhielt die Stadt den Beinamen „Pompeji Asiens“. Heute gilt Poykend als faszinierendes Zeugnis einer untergegangenen Zivilisation und zieht Historiker sowie Reisende aus aller Welt in ihren Bann.
Ein Bericht aus dem „Tarikhi Buchara“
Muhammad Narshakhi beschreibt in seinem Werk „Tarikhi Buchara“ aus dem 10. Jahrhundert die faszinierende Gründungsgeschichte der Stadt Poykend. Diese Stadt, auch als „die reiche Stadt“ bekannt, wurde von Turkestanern aus der südkasachischen Region nahe Buchara gegründet.
Die Anfänge der Siedlung: Die ersten Siedler wählten dieses Gebiet aufgrund seines Wasserreichtums, der zahlreichen Bäume und der ergiebigen Jagdgründe. Zunächst lebten die Neuankömmlinge in Jurten und Zelten. Mit der Zeit wuchs die Bevölkerung stetig, was zum Bau von festen Gebäuden führte. Schließlich versammelte sich die Gemeinschaft, wählte einen Anführer und ernannte ihn zum Amir. Sein Name war Abruy.
Der Aufstieg und Fall von Abruy: Zur Zeit der Ankunft der ersten Siedler existierte die Stadt Poykend noch nicht. Es gab jedoch bereits einige Dörfer in der Umgebung, darunter Nur, Harkan-Rud, Vardana, Taravja, Safna und Isvana. Das größte Dorf, in dem Abruy selbst residierte, trug den Namen Poykend, während die entstehende Stadt als Kala-i-Dabusi bekannt wurde.
Mit der Zeit wuchs Abruyas Macht, doch sein Herrschaftsstil wurde zunehmend grausam und unterdrückend. Die Geduld der Bewohner war bald erschöpft. Wohlhabende Kaufleute und Bauern flohen nach Turkestan und Taraz, wo sie eine neue Stadt namens Khamukat gründeten. Der Name „Khamukat“ stammt aus der Sprache von Buchara: „Khamuk“ bedeutet Perlen, während „Kat“ für Stadt steht – somit bedeutete der Name „Stadt der Perlen“.
Die Befreiung durch Shiri-Kishwar: Die Zurückgebliebenen baten ihre adligen Landsleute um Hilfe, die sich daraufhin an Kara-Dschurin-Turk wandten, einen Herrscher der Türken, der vom Volk wegen seiner Größe „Biyagu“ genannt wurde. Biyagu entsandte seinen Sohn Shiri-Kishwar mit einer großen Armee nach Buchara. Shiri-Kishwar ergriff Abruy in Poykend und ließ ihn auf grausame Weise hinrichten: Abruy wurde in einen großen Sack voller roter Bienen geworfen, woran er verstarb.
Shiri-Kishwars Herrschaft und Wiederaufbau: Das eroberte Land gefiel Shiri-Kishwar so sehr, dass er seinen Vater bat, ihn als Herrscher über die Region einzusetzen und ihm zu erlauben, sich in Buchara niederzulassen. Biyagu stimmte zu, und Shiri-Kishwar wurde neuer Herrscher. Um die geflohenen Adligen und wohlhabenden Bürger zurückzuholen, entsandte er einen Botschafter nach Khamukat. In einem Brief versprach er, alle Rückkehrer würden seine Nachbarn werden und in Sicherheit leben.
Ein neues Kapitel in Poykends Geschichte: Dieses Versprechen war von besonderer Bedeutung, da die einst wohlhabende Stadt durch die Flucht der Reichen und Adligen verarmt war und nur noch die Armen und die Unterschicht zurückgeblieben waren. Die Rückkehr der geflohenen Bevölkerung markierte einen Neubeginn für Poykend und festigte seinen Ruf als „reiche Stadt“.
Narshakhis Bericht wirft ein eindrucksvolles Licht auf die bewegte Geschichte Poykends, die von Macht, Flucht und Rückkehr geprägt ist – ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte Bucharas und des gesamten zentralasiatischen Raums.